JOST KOBUSCH

Annapurna 1

Die Annapurna 1 (8091m) ist bekannt für schlechtes Wetter, Lawinen und eine Todesrate von etwa 33%. Was zur Hölle hat mich dahin getrieben?

Die Frage ist einfach zu beantworten: Sie ist einer der am seltensten bestiegenen 8000er und somit noch ein echtes Abenteuer!

Hier ist man abgeschieden von der Zivilisation in einem Basecamp, in das nicht einmal die Sherpas wandern. Anreise und Versorgung ausschließlich mit dem Helikopter. Während meiner Lhotse Besteigung habe ich den Trubel am Everest erlebt und festgestellt, dass dort eigentlich gar kein richtiges Solo möglich ist, da ich ja die Leitern der Sherpas benutzte, um durch den Khumbu Eisfall zu stiegen. Obwohl ich ja auch 2015 am Lhotse auf mich allein gestellt und ohne Sauerstoff unterwegs war, hat es sich einfach nicht pur genug angefühlt.

Für mich ist das wahre Bergstiegen so minimalistisch wie möglich, mit so wenig Ausrüstung wie möglich aber auch so abgelegen wie möglich.

Also entschied ich mich 2016 in Frühjahr schon mit der Annapurna 1 meinen ersten 8000er zu versuchen. Für die Besteigung wählte ich die Route über die Nordwand, die Standardroute an der Annapurna. Eigentlich ist es eine unglaublich hässliche Route. Super gefährlich, jede Menge Lawinengefahr und viele Seracs (hängende Gletscher) unter denen man durchklettern muss. Im 20 min Takt bricht da was runter.

Camp 1 5500m

Ich begann vom Basecamp aus, die Seitenmoräne des Gletschers entlang zuwandern, um mich dann auf den Gletscher abzuseilen, nur um dann den Schutt auf der anderen Seite wieder hoch zu klettern. Obwohl man selbst dort potentiell Lawinen und Steinschlage ausgesetzt ist, musste ich dort aus strategischen Gründen Camp eins (5500m) aufbauen.

Camp 2 5700m

Von Camp eins aus, kehrte ich zurück auf den Gletscher, von wo es abschnittsweise hoch bis Camp zwei ging. Dafür lief ich über den Gletscher bis zu einer Kletterstelle, die bestimmt schon in den vierten Grad ging. Obwohl der Gletscher an sich relativ flach ist, gabs selbst dort einen Serac, der tatsächlich auch mal kollabiert ist. Und natürlich Eis, jede Menge Eis.

camp 3 6500m

Von Camp zwei aus beginnt dann die eigentliche Kletterei. Ich bewegte mich also auf diese gigantische Wand, ein kombiniertes Eis- Felsgelände zu. Über mir riesigen Seracs, die jederzeit kollabieren konnten. Nach durchgehend steiler, teilweise 90 grad Eiskletterei, erreichte ich Camp drei, was auf einem kleinen Eisvorsprung auf ungefähr 6500m errichtet ist.

camp 4 7200m

Beim zweiten Anlauf hab ich strategisch besser geplant und hab mein Camp auf 7200m aufgebaut. Nicht mehr ganz so geschützt, also keine Gletscherspalte, aber diese 200m waren ein Gamechanger für den Gipfelanstieg. Dadurch konnte ich eben nen ganz bisschen entspannter so gegen 22.00 vielleicht 22.30 Uhr losgehen.

Es war echt brutal kalt. Trotz Daunenanzug und Handschuhe hab ich mir, bei noch immer recht heftigen Windstärken, den Arsch abgefroren. Erst als die ersten Sonnenstrahlen rauskamen, wurds besser. Wow, ich began mich mega gut zu fühlen, super stark und hab den Gipfel schließlich sehr locker erreicht. Das war auf jeden Fall nen gutes Erlebnis!

Annapurna 1 Gipfel 8091m

Auf dem Gipfel  bin ich in einem White out gelandet. Dann war da erstmal nicht mehr viel Sicht. In so nem Fall gibt’s zwei Variationen beim Abstieg. Das ist gar nicht so einfach, sich zu entscheiden, denn wenn man die falsche Variante wählt, führt sie einen ins Nichts. Doch gerade im Moment der Entscheidung, sehe ich einen anderen Bergsteiger im gelben Daunenanzug vor mir und beschließe ihm zu folgen. Als ich so hinter ihm her laufe bemerke ich: Er hinterlässt gar keine Spuren? Verdammt, warum liegen hier auf einmal ganz viele tote Bergsteiger um mich herum? Wie ein Haufen. Da waren doch vorher Steine? Ich schaue nochmal genauer hin und merke: Moment, ich halluziniere, des kann alles nicht sein! Der hinterlässt keine Spuren?! Ich mach jetzt besser schnell, dass ich hier runterkomme. Und glücklicherweise hat mich diese Illusion des Bergsteigers auf die richtige Route geführt. Aber ich hatte auch intuitiv die richtige Richtung gewählt und bin abgestiegen. Und als ich dann wieder weiter unten war, ging es mir auch direkt deutlich besser.

basecamp 4250m

Mein wahrer Glücksmoment, war dann aber die Ankunft im Basecamp. Denn das Basecamp, das ist der wahre Gipfel! Ich mein, ich, dieser junge Knirps da, hat seinen ersten 8000er gemacht. Wow! Als Jüngster unter all den anderen Bergsteigern dort, hat sich das irgendwie so besonders angefühlt. Dieser erste 8000er war für so viele Jahre mein Traum. Und es war nicht irgendein 8000er, es war die Annapurna 1, die wildeste Erfahrung, die ich in dem Moment finden konnte. Der echteste Alpinismus, der mir in dem Moment zugänglich war.

Auch, wenn mir dann ein, zwei Jahre später klar geworden ist, dass das nichts mit Solobergsteigen zu tun gehabt hat – zu viele andere Menschen, der Aufstieg über die Normalroute, die Benutzung der Fixseile beim Abstieg und die Aufnahme eines anderen Bergsteigers in meinem Zelt, im Zuge des finalen Gipfelpushes – heute würde ich da niemals mehr von einem Solo sprechen. Aber auch mit all diesen Erkenntnissen, in diesem Moment war ich einfach unglaublich glücklich! Ich hatte meinen ersten 8000er geschafft.

Die Annapurna 1 war ein sehr wichtiges und ermächtigendes Ziel für mich.

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