JOST KOBUSCH

Denali Behind The Scenes 2018/19

Was passiert eigentlich hinter der Kamera? In diesem Beitrag möchte ich euch mal ein paar verrückte stories von meiner Denali Winter Expedition erzählen.

Es muss so 2017 gewesen sein, als ich zum ersten Mal darüber nachgedacht hatte den Denali im Winter zu besteigen. Der Gedanke ist eigentlich recht gleichzeitig mit der Idee entstanden die Seven Summits, die jeweils höchsten Gipfel der sieben Kontinente, im Winter zu besteigen. Mit seinen extremen Temperaturen bis -60 Grad ist der Denali einer der kältesten Berge der Erde und perfekt als Training für mein Everest Winter Solo Projekt.

Außerdem ist Alaska noch einer dieser Orte, besonders im Winter, der noch echte Wildnis hat. Ein Ort, wo man sich wirklich sehr schnell, sehr isoliert fühlt. Man muss auf sich alleingestellt autonom funktionieren können und das unter Extrembedingungen – in unheimlicher Kälte und extrem langen Nächten.

Diese Kombination aus Dunkelheit und Kälte machte diese Expedition zu einer großen, großen Herausforderung. Und das reizt mich. Ich mag es, wenn mir beim Bergsteigen niemand auf die Finger schaut. Weil ich für mich bin. Mitten in der Wildnis. Umso paradoxer natürlich, dass ich ein Filmteam mitgenommen habe. 😉

warum filmen?

Meine Expeditionen sind sinnlos. Ich besteige einfach einen bedeutungslosen eisbedeckten Steinhaufen. Bedeutung bekommt das Ganze erst durch den Sinn, den ich ihm gebe. Und ein Teil dieses Sinnes ist es eben auch diese Erfahrung zu teilen und zugänglich zu machen.

Ich verstehe mich als Künstler. Zwar male ich keine Kunstwerke. Meine Kunstwerke sind halt meine Besteigungen. Die schauen sich andere an und fühlen etwas dabei. Wenn das Kunstwerk dann besonders gut geworden ist, wird das Gefühl besonders intensiv.

Natürlich liebe ich es auch Bergzusteigen, wenn mir niemand dabei zusieht. Ich liebe es aber auch dieses unglaubliche Abenteuer festzuhalten und damit die Reaktionen von Menschen einzufangen. Im Idealfall zu inspirieren. Und genau deswegen wollte ich unbedingt einen Film darüber drehen.

Das Team

Doch wer hat Bock mich auf so eine ungemütliche Expedition zu begleiten? Mit Feline, der Kamerafrau, hatte ich schon vor der Denali Expedition Kontakt. Sie hatte mich einmal während meiner Zeit als Guide in Spitzbergen kontaktiert und seitdem habe ich ihre Arbeit verfolgt. In ihrem Portfolio war ein Video dabei, was ich besonders faszinierend fand.

Alle drei haben an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert und waren zu dem Zeitpunkt an unterschiedlichen Stellen ihres Studiums. Geil war dann natürlich, dass wir für das Projekt eins a Profi-Equipment von der Uni leihen konnten. Feline hat dann hauptsächlich Regie geführt und gefilmt, Fabi und Josi haben abwechselnd den Ton gemacht. Fabi hat aber auch viel fotografiert und die Drohne geflogen. Ja, das war ne coole Kombination.

Vor Ort lerne ich dann auch noch Lonnie Dupré kennen – einen amerikanischen polar Explorer, der den Denali bereits im Winter solo bestiegen hat. In der kurzen Zeit unseres Beisammensein, lerne ich eine menge über über die Schnee- Konsistenz und die besonderen Klimatischen Bedingen in der dunklen Jahreszeit.

Bei diesen Kalten Temperaturen kann der Schnee so trocken sein das konventionelle Schneehöhlen nicht funktionieren. Lonnie zeigt mir eine Bau- Variante bei er man den Schnee einsägt und ein lock im Boden mit schneeplatten versiegelt um einen schützenden Raum zubinden. Wenn man den Denali im Winter besteigen möchte muss man sich vor stürmen retten können, ich habe meine Lektion gelernt. 

unerwartete Herausforderung

Für mich war das die Denali Winter Expedition mal wieder so eine große Reise ins Unbekannte. Ich war mir nicht ganz sicher, ob das Ganze funktionieren würde. Ungefähr einen Tag bevor ich losfuhr, wurde von der USA eine Haushaltssperre verkündet. Bis Trump das Haushaltsbudget freigegeben hatte, wurden erstmal alle staatlichen Einrichtungen geschlossen. Es ging gar nichts mehr. Der für die Permits zuständige National Park Service, schrieb mir nur noch: „ Also wir gehen jetzt in einen Shut Down und schließen. Vorerst können wir dir nicht mehr Antworten – Viel Glück dir!“. „Ach in ner Wocher, spätestens 10 Tagen, werde die schon wieder öffnen!“, dachte ich mir. Ich hatte also trotz dieser Hiobsbotschaft noch immer die Hoffnung, dass

A) die Expedition funktionieren würde.

Und

B) wir einen sehr geilen Film drehen würden.

-> Tja waren dann doch ein bisschen länger als 10 Tage. 😀

winter depression

Am Ende des Tages saßen wir wieder zuhause, kochten, sicherten das Material und chillten. Diese Expeditionstage waren unglaublich depressiv. Das kommt auch im Film ganz gut raus. Nicht nur wussten wir nicht, wann genau es in den Nationalpark gehen würde, es war einfach so wenig Sonnenlicht da. Wir alle waren fertig ohne Ende. Voll die Winterdepression, ich sags euch.

was wir tuen

Aufgabentechnisch hat Feline natürlich mit der Kamera gearbeitet. Sie hat sich darum gekümmert, dass die Akkus immer aufgeladen waren, die Speicherkarten leer waren und das Material gesichert wurde. Fabi und Josi, am Anfang war Fabi da, später Josi, haben dan dazu den Ton gemacht und sich um das Tonmaterial gekümmert. 

Bei einem Interview habe ich auch mal den Ton gemacht, mit diesem riesigen Mikro an der langen Angel und diesen exzellenten Kopfhörern.

Ich habe Dinge gehört! Wirklich Dinge gehört, die kein normaler Mensch hört!

Der Kühlschrank hat Geräusche gemacht, ich wusste nicht, dass die sowas können!  Als Tonmensch lebt man wirklich in einer anderen Welt. Fabi ist dann noch viel die Drohne geflogen. Ja, so hatte dann jeder seine festen Rollen. Klar, habe ich auch Input gegeben, Vorschläge gemacht und gesagt, was ich gerne im Film hätte. Aber letztendlich hat Feline ziemlich viel Freiraum. Sie ist ja auch Künstlerin und der Film war ihr Baby, ich habe einfach auf ihren Geschmack vertraut. Ihre Ideen waren sehr gut.

improvisation

Zwar konnte man nicht wirklich in den Nationalpark, wenn man aber eine gewisse Höhe nicht überschritt, durfte man doch rein. (Das brachte uns dem Denali zwar nicht näher aber immerhin!). Es war ein sehr kalter Tag, als wir losfliegen wollten. Paul, der Pilot von Talkeetna Air Taxi (TAT), wollte erst gar nicht fliegen. 

Wenn es hier unten schon -27 Grad sind, dann brechen bei den Temperaturen in der Luft auch schon mal die Türgriffe ab. 

Unter den anderen Passagieren war auch Lonny.  Mit dem konnte ich natürlich gut quatschen. Zufälligerweise war auch noch ein anderes US-amerikanisches Filmteam da. Sie wollten die Auswirkungen des Haushalts Shut Downs festhalten und hatten dann uns gestrandete Bergsteiger vor der Kamera. Wir waren also echt einige Leute. „Es ist etwas wärmer geworden, wenn wir jetzt abheben, habe wir gute Chancen oben in eine wärmere Luftströmung zu kommen und unser Ziel doch noch zu erreichen!“, meinte Paul etwas später. Sehr witzig, die Temperaturen war von -27 auf kuschlige -20 gestiegen. Wir waren aber eigentlich nur froh, dass es losgehen konnte.

Der Flug war dann unglaublich. Lonny, wollte sich schon mal ein paar Gletscherspalten für seine Route am Mount Hunter anschauen. Wir sind deswegen in richtig engen Kurven relativ dicht über die Gipfel geflogen sind. Er  wollte einen riesigen Eisfall durchklettern. Das sah mir schon ziemlich verrückt aus.

ihr werdet nicht erraten was passiert ist...

Wir sind dann also gelandet und haben bei laufenden Rotoren alles ausgeladen. Feline hat natürlich sofort angefangen zu filmen und Aufnahmen zu machen.

In der ganzen Zeit läuft der Motor, denn bei -40 Grade geht der ansonsten so schnell auch nicht wieder an. Dann schließen wir die Türen und Paul setzt sich wieder auf seinen Pilotensitz, schaut nochmal aus dem Fenster und macht sich schon bereit zum Abheben. In dem Moment sagt Feline zu mir: „Hey, wo ist eigentlich meine Jacke?“ Ich schaue sie nur an und sag so: „Das ist nicht dein Ernst oder?“ 

Ja Leute, Feline hatte ihre Jacke vergessen. Und das nicht im Flugzeug, sondern 100 Meilen entfernt, im Flugzeughangar in Talkeetna. Und ohne Daunenjacke bei -40 Grad, eijeijeijei ich sags euch. Das ist auf jeden Fall eher ungünstig. Ich gehe also wieder zum Flugzeug und erkläre Paul die Situation. Der sagt garnichts, sondern schmeisst einfach nur ein kleine, schwarzes Paket aus dem Fenster, kurbelt die Scheibe hoch, gibt Gas und hebt ab. 

Ich dachte mir in dem Moment nur: „Ok, dann schauen wir besser mal nach, was in diesem kleinen Paket drinne ist.“ Voilá, Glück gehabt! Paul hatte noch einen Dauneanzug dabei, falls der Motor mal irgendwie schlapp macht oder er eine Bruchlandung hat. Feline hat dann also den Daunenanzug von Paul getragen. Das ist meine Lieblingsstory. Damals war sie da gar nicht so glücklich darüber. Vor allem, weil ich mich noch mehrmals darüber kaputt lachen musste, wie man unter Extrembedingungen in Alaska seine Jacke vergessen kann!

Aber das sind so kleine Dinge, die passieren, wenn man mit einem Filmteam unterwegs ist. Die bringen völlig neue Dynamiken rein. Also jetzt nicht in dem Sinne, dass jemand erfriert. 😀 Man macht halt seine Späße, wenn mal was schiefläuft. Haha. Wenn ich sonst alleine unterwegs bin, verarsch ich ja immer nur mich selber. Da ist es in einem Team schon was anderes.

ich bin froh wenn ich wieder alleine Bergsteigen darf

Eigentlich verändert sich die ganze Expedition. Wenn ich im Team unterwegs bin, schau ich natürlich auch darauf wie es den anderen geht, wo deren Herausforderungen liegen. Manchmal beginnen die zum Beispiel schon dabei bei den kalten Temperaturen mit dem Benzinkocher zu kochen.

Und darauf zu achten, dass wenn man Chilisuppe kocht, der ganze Topf noch Tage später nach Chili schmecken kann. Dass sind so Dinge, die ich versucht habe zu managen.

Obwohl Feline und Fabi beides unheimlich entspannte Menschen sind, war ich natürlich immer besorgt, ob es ihnen gut geht, wie sie sich fühlen. Es war super, dass wir den Film gedreht haben. Aber wenn mehrere Menschen mit einem auf Expedition sind, hat man halt auch immer Verantwortung für sie.

Und das habe ich nicht, wenn ich allein bergsteige. Was ja auch etwas ist, was ich daran so gut finde. Es ist schon irgendwie total verrückt. Wir sind eigentlich am Arsch der Welt, im Umkreis von vielen, vielen Meilen keine Menschenseele. Wenn irgendwas richtig schiefläuft, wird es sehr lange dauern bis das Flugzeug da ist.

Und da sind wir am Denali im Winter, brutale Kälte und konzentrieren uns voll aufs Filmen. Das ist irgendwie so eine unwirkliche Welt. Es hat irgendwie nichts mit Expedition zu tun. Und schon gar nichts mit einem Solo. Das ist ein ganz anderes Erlebnis.

ach ja, da hab ich noch was dummes angestellt

Nach den Aufnahmen im Nationalpark sind wir wieder zurück nach Talkeetna, in unsere Holzhütte. Deren Vermieter hat am Ende übrigens kein Wort mehr mit uns gesprochen. Ob es vielleicht daran liegen könnte, dass ich ausversehen einen Baum in seinem Garten gefällt habe? 

Die ganze Story begann mit einem richtig stürmischen, verschneiten Tag. Wir saßen zuhause rum und überlegten, was wir filmen wollten. Während der Expedition im Nationalpark, hatte ich so einen Baumstamm dabei, um nicht in Gletscherspalten reinzufliegen. Und deswegen dachten wir, es sei doch eine gute Idee zu filmen, wie ich diesen Baum fälle. Mit meiner Axt, Kamera und Ton, sind wir also los, immer weiter in den Wald hinter dem Haus rein. Irgendwann standen wir dann da und ich sagte: „Ok dieser Baum hier ist gut.“ Ich packe also meine Axt aus und fange an diesen dünnen, kleinen Baum zu fällen. 

Stolz halten wir alles schön auf Film fest und nach getaner Arbeit, ziehe ich diesen Baum bis nach Hause auf unsere Veranda. Gerade als wir zu Essen anfingen, hörte es auf zu schneien und der Nebel lichtete sich. Ich sah dann, wie unsere Spuren eigentlich nur in den Hintergarten von unserer Holzhütte geführt hatte. „Ich glaube wir haben einen Baum aus dem Garten gefällt.“, sagte ich zu den anderen und hörte auch schon das Auto vom Vermieter.

Der Vermieter steigt aus, ich schaue ihn an, er schaut auf den Baum auf der Veranda. Gesagt hat er zwar nichts aber begeistert sah er nicht aus. Mir war es extremst peinlich. Ich musste den Baum vor unserem Check-out auf jeden Fall irgendwie loswerden.

In einer Nacht und Nebel Aktion hab ich ihn also hinten an den Jeep gebunden, geschaut ob mich irgendwer beobachtet, bin schön weit weg gefahren und habe mich ihm wie einer Leiche im Wald entledigen. Bevor ich mit quietschenden Reifen davon bin, habe ich sogar noch schön meine Spuren verwischt, damit bloß niemand auf die Idee kommt, dass dieses Souvenir von uns kam.

Mooses Tooth winter Besteigung

Eine signifikante Höhe am Berg konnte ich durch den Haushalts Shut Down nicht erreichen. Dafür habe ich aber den Mooses Tooth, Elch Zahn, mitnehmen können. Dieser super technische und bekannte Peak hatte bis dahin auch noch keine Winterbegehung erlebt. Und dann ist mir tatsächlich noch die erste Winterbegehung des Westgipfels geglückt. Obwohl es sehr schön war, wollte ich natürlich auch den Hauptgipfel erreichen. Hierzu gibts in der Zukunft aber auch nochmal einen ausführlichen Artikel (der wird dann ich hier verlinkt).

Durch diesen ganzen Shut Down kam meine Schneesäge, von der ich vermutet hatte, dass sie mein wichtigster Ausrüstungsgegenstand wird, nicht einmal zum Einsatz. Dafür aber mein Iphone umso mehr 😀

Ich sag euch, in dieser extremen Dunkelheit mit einer richtig fetten Powerbank Musik zu hören, macht es um einiges leichter.

Fazit

Klar, obwohl ich nicht richtig Bergsteigen konnte, habe ich im Winter am Denali extrem viel gelernt! Besonders die richtige Regulierung des Wärmehaushalts: Wie gehe ich mit Feuchtigkeit um? Wie isoliere ich am besten? Wie komme ich morgens möglichst schnell aus meiner klitschnassen Unterwäsche raus und in meine trockenen Sachen rein ohne mir was abzufrieren?

Und natürlich wie groß die psychische Belastung bei so extremen Temperaturen und beim Lichtentzug ist. Ich habe das alles echt unterschätzt und dafür sehr viel gelernt. All dieses Wissen wird in meine nächste Winter Everest Expedition eingebracht!

Tipps an mich selber:

• Keine Bäume im Garten meiner Vermieter fällen.

• Ersatzgummidichtung für den Kocher mitnehmen. (die auch bei Minusgraden überleben)

• Den Kocher in eine Tasche stecken und die Tasche mit in den Schlafsack nehmen. Damit der Kocher nicht so kalt wird, dass er gar nicht mehr richtig funktioniert.

• Noch einen zusätzlichen Schlafsack einpacken!

• Dinge einpacken, die man auch in einer gefrorenen Form noch irgendwie zu sich nehmen kann. (Meine Schokolade konnte ich nicht einfach so abbeißen, die konnte ich nicht mal lutschen.)

Hi five!

Jost

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