JOST KOBUSCH

Nangpai Gosum 2

„Als ich dabei war den ersten Schlaghaken einzuschlagen durchzuckt mich auf einmal ein Gefühl wie bei einer Rückwärts Unterwasserrolle – ZACK! An der Südwand begann das Eis schnell zu schmelzen und zu einer Art Slush zu werden. Der Standplatz riss aus dem Eis heraus und ich hing nur noch an dem halb eingeschlagenen Haken.“

 

Am 12.08.2017 landete ich, das Ziel: Der höchste unbestiegene Berg Nepals, der Nangpai Gosum II. Vor mir hatte ein Team französischer Bergführer bereits zwei Jahre in Folge versucht den Gipfel des bis dahin  4.höchsten unbestiegenen Berges der Welt zu erreichen. 

Aufgrund trockener Bedingungen (das sagen wir bei wenig Eis) und starkem Steinschlag blieb der Erfolg jedoch aus. Nach der Akklimatisierung errichte ich am 05.09.17 das Basislager, um ein Solo durch einen technischen Teil der Südwand zu versuchen.

In den folgenden Wochen trug ich mein Gepäck (einschließlich 500 m Seile) auf den Berg. Die Idee war es, diese Seile in sehr technischen Passagen zu fixieren, so dass sie nur einmal verwendet werden mussten und einen schnellen Abstieg bei schlechtem Wetter oder Verletzungen garantierten.

Ziel war es, am 25.09.2017 Lager 2 auf etwa 6600m zu etablieren, der höchste Punkt den das französische Team erreicht und an dem es biwakiert hatte. Durch die starke Sonne und dadurch ausgelöste Eisschmelze gestaltete sich die Umsetzung dieses Plans recht schwierig.

„ZACK – der Standplatz riss aus dem Eis heraus und ich hing nur noch an einem halb eingeschlagenen Haken.“

Meinen Versuch startete ich früh morgens. Auf dem Weg nach oben, gerade als ich auf einer Höhe von ca. 6300m eine Eiswand von 80 Grad solo in Angriff genommen habe, zeigte sich ein Engpass. Das Eis war sehr dünn und zerbrechlich und endete auf blankem Stein. Allerdings war es die einzige Möglichkeit, weiterhin auf dieser Route zu bleiben. 

Um mir eine Übersicht zu verschaffen, nahm ich meinen Rucksack ab, in dem 200m Nylon Seil waren, das ich verlegen wollte. 

Der Standplatz basiert auf einem eingeschlagenen Eispickel und einer Eisschraube, die zu einem Dreieck verbunden waren.  So in meinen Standplatz hängend, hing ich den Rucksack ein und ruhte mich aus. Als ich bereit war weiter zu klettern begann ich den Standplatz auszubessern. 

Als ich dabei war den ersten Schlaghaken einzuschlagen durchzuckt mich auf einmal ein Gefühl wie bei einer Rückwärts Unterwasserrolle – ZACK!  Der Standplatz riss aus dem Eis heraus und ich hing nur noch an dem halb eingeschlagenen Haken. Die Sonne war einfach so intensiv, dass die Eisschraube und das Eisgerät in 20 Minuten ausgeschmolzen sind.

Nach diesem Beinahe- Absturz, entschied ich mich aufgrund der Bedingungen umzukehren. Ich fühlte mich viel sicherer als ich die Annapurna 8091m, einer der gefährlichsten Berge der Welt, bestiegen habe, als an diesem Tag am Nangpai Gosum II.

 Beim Abstieg schmolzen immer wieder Eisschrauben auf dem Eis und hingen lose an den Knoten der Fixseile herab, welche durch scharfe Steine zerschnitten und gekappt wurden. Ich wurde von Steinen weichgeklopft und hatte mehrere Male wirklich Glück gehabt mich nicht ernsthaft zu verletzten. Mitten in der Nacht erreichte ich Lager 1 auf 6100m  – Was für ein Tag!

„Zurück im Basislager fand ich heraus, dass der Koch und Küchenjunge das Gebiet verlassen hatte. Lediglich Raphael (Fotograf) wartete in einem einzelnen Zelt auf mich.“

Ich erfuhr, dass der Koch und sein Assistent das Gebiet verlassen mussten, um an einer anderen Expedition teilzunehmen. Aber ich wollte den Berg noch nicht aufgeben, konnte nicht loslassen, bis ich wusste alles versucht gehabt zu haben. 

Also beschloss ich eine alternative Route in meinem bevorzugten Stil zu versuchen: Ein leichtes und schnelles, Solo. Ich startete am 30.09.17 erneut und ließ den Großteil meiner Ausrüstung am Fuße des Berges zurück. Selbst das Seil zum Abseilen blieb im Lager, um das Gewicht zu reduzieren. 

Nur mit einem Gurt, im seltenen Falle einer Hubschrauberbergung, ausgestattet, startete ich um 03.00 Uhr nachts, wo die Lawinengefahr am geringsten war. Versteht mich nicht falsch, ich plane auf keinen Fall mal locker lässig ne Bergung ein wenn mir danach ist, weil ich es mit dem Projekt übertrieben habe. Der Klettergurt ermöglicht schlichtweg aber die Option bei einer Verletzung die Chance auf Rettung wahrzunehmen.

Ich hab mich gefühlt wie diese Abenteurer von denen ich als Kind gelesen habe.

Für mich war es lange Zeit schwierig herauszufinden, was ich überhaupt tun möchte. 🤔Ich meine, ich bin in dieser neuen Generation aufgewachsen, in einer Wohlstandsgeneration, in der wir einfach alles haben und alles tun können. Klar, ist das nicht ganz so einfach, aber letztendlich können wir ja alles werden, wenn wir nur genug dafür arbeiten und Fähigkeiten aufbauen. 

Ich hatte dann irgendwann die Herausforderung, dass ich nicht genau wusste, was genau ich eigentlich machen möchte. 🤯Gerade im Bergsteigen, wo es ja nicht viele Spielregeln gibt, habe ich mich deswegen erstmal ganz viel ausgetobt, verschiedene Sachen gemacht und dann letztendlich die ersten Soloprojekte gestartet. 

Diesen Sologedanken habe ich ganz schnell tief in mir getragen, auch einfach weil ich dadurch in ein mega tiefes Flow Gefühl gekommen bin.🧘🏼‍♂️ 

Als ich das dann auf 8000er übertragen wollte, war das erstmal ziemlich frustrierend, weil ich feststellen musste, dass ein Solo an einem 8000er ziemlich, ziemlich schwierig ist. Es gibt meistens nur ein sehr kleines Wetterfenster und da will jeder hoch und auch wenn du ohne Sherpas da bist und ohne Sauerstoff, gehst du am Ende höchstwahrscheinlich da lang, wo die anderen lang gehen. Das war so eine kleine Sinnkrise, die ich hatte.😒 

Die Besteigung von dem Berg hier, dem Nangpai Gosum II, hat mir dann aber meine Richtung gezeigt. Der Nangpai Gosum II war der, bis dahin, höchste unbestiegene Berg Nepals. 

Klar, war nur ein 7000er – aber für mich war das dieser Aufbruch ins Unbekannte, irgendwo zu sein, wo niemand anderes ist, diese echte Wildnis zu spüren. Dort zu sein, hat mir wirklich gezeigt, was ich mit meiner Zeit machen möchte. Das war so ein Aha – Erlebnis.🤩

Ich habe meinen Stil gefunden, ich möchte wirklich dieses pure Solobergsteigen, diesen reinen Alpinismus leben. 

Und ja auf dem letzten Bild bin ich gerade runtergekommen und habs geschafft.

“Es war natürlich ein unglaubliches Gefühl dort oben zu stehen, aber das Gefühl runterzukommen und zu wissen, wohin ich gehen möchte, das war nochmal viel mächtiger und das hält bis heute an.”

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